Briefe aus dem Lager Gurs von 1941
Brief
von Karoline und Selma Bierig aus dem Lager Gurs vom 30.Januar 1941
Der Inhalt
dieses Briefes wird untenstehend in Auszügen mit
den wichtigsten Passagen wiedergegeben. Die Auslassungen sind mit "..."
gekennzeichnet.
„Liebe
Gertrud!
Mit
grosser Freude erhielten wir heute, den 30. I. Deinen
lieben Brief, sage Dir vielen Dank für Deine liebe Zeilen. ...
Vor ungefähr 14 Tagen bekamen wir
Geld geschickt, ich nehme an dass es von der lieben Toni ist. Geld
braucht man hier viel denn wir kaufen uns immer noch um die Mahlzeiten
zu vervollständigen. Von zu Hause durften je Person 100 Mark
mitnehmen das wir in Franken umgewächselt bekommen. Unsere
Kleider und Wäsche haben wir so ziemlich dabei,
natürlich haben wir noch allerlei zu Haus gelassen. Else Guta
(?) und die Leimtaler sind ganz in unsrer Nähe, Karoline ist
bei uns in der Baracke. Die Männer sind auch hier nur in
andern (?) und kommen diese alle paar
Tage um ihre Frauen zu besuchen. Tante Toni ist noch zu Haus da nur die
Juden aus Baden und Pfalz abgeschoben wurden. Der liebe Gott wird
helfen dass wir auch von hier wieder weg können. Sei
für heute herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Mutter.“
„Liebe
Trudl!
Wie
wir uns gestern mit Deinem lb. Brief (vom 9.I.) gefreut haben,
kannst Du Dir nicht vorstellen, wir dachten schon Du hättest
unsre Karte nicht erhalten. Also recht herzl. Dank. Schreibe uns nur
alle 14 Tage von jetzt ab, wir werden es auch tun, sodass wir immer auf
dem Laufenden sind. ... Dass Du uns nicht
glaubst, dass es uns den Verhältnissen nach gut geht u. gesund
sind, was hier die Hauptsache ist, finde ich geradezu originell. Du
meinst wohl, wenn man nicht mehr zu Hause ist, muss man krank sein?
Dass lb. Mutter so kurz schrieb kommt nur daher, weil ich schon alles
schrieb u. Du weisst sicher auch dass sie nicht gern schreibt. Heute
kannst Du Dich sicher nicht beklagen. Bilder können wir Dir
leider nicht schicken, da wir unsre neuen Passbilder zu Hause haben u.
hier gibt es keine Photo, doch Bilder gäb’s alsmal
schöne ...! Über Deine Bildchen haben wir uns sehr
gefreut u. siehst Du wirklich gut aus. Mit unsrer Reise hierher ging
das sehr schnell. Wir wurden morgens um ½ 8 Uhr geweckt,
bekamen gesagt wir sollen packen u. wurden mittags mit dem Auto nach
Heidelberg an den Zug gebracht. Da wir viel Zeit hatten, konnten wir
fast alles packen, sodass wir hier wenigstens keine Kleider u. Schuhe
kaufen brauchen. Mit unsrer Amerika Reise sind wir noch nicht weiter u.
wissen auch nicht wenn es soweit sein wird. Von Toni bekamen wir vor 8
Tagen ein Telegramm wir sollen uns in Marseille registrieren lassen,
was aber bereits von hier aus schon geschehen ist. Vor allem
müssen die Bürgschaften erneuert werden, was ich lb.
Toni schon schrieb. Weiter hiess es im Cabel, dass alles gesund sei u.
dass ein Paket für uns unterwegs sei. Auf das freuen wir uns
sehr, denn wir haben G.s.D. [Gott sei Dank] einen guten Appetit. Auch
sandte sie uns vor 14 Tagen einen Geldbetrag und können wir
den ebenfalls sehr gut gebrauchen, da wir hier fast alles kaufen
können. Vor allem gibt es hier herrliche Datteln u. Feigen, so
gut kannten wir sie früher nicht u. essen wir täglich
welche. Ebenso bekommen wir eine wunderschöne Marmelade u. ist
dies eigentlich ein Fehler, denn sie ist immer so rasch alle! Deine
Grüße haben wir alle ausgerichtet u. werden
erwidert. Direktors haben Glück gehabt sie sind seit ein paar
Wochen in der Nähe in einer Stadt u. wird es von ihren Kindern
von Südamerika aus bezahlt. Sophie ist noch hier, wir haben
ihr Deine Bilder gezeigt u. hat sie sich sehr damit gefreut. Wenn Du
wieder an Kurt schreibst, bitte ihn, mal an Karoline zu schreiben, sie
hat dieselbe Adresse wie wir. Das darf er doch sicher? Seine Eltern
haben schon seit April keine Post von ihm. Nun will schliessen.
Nächstes mal erzähle Dir weiter von unserem Leben.
Also sei für heute recht herzl.
gegrüßt und
geküsst von Deiner Sell.“
Hinweis zum Verständnis dieses Briefes:
In obigem Brief wird die "liebe Toni" und die "Tante Toni"
genannt. Mit der lieben Toni ist die Schwester von Selma (Sell) und
Gertrud
(Trudl) gemeint, das dritte Kind von Karoline Bierig. Toni Bierig
konnte noch rechtzeitig nach Amerika fliehen und lebte in New York. Mit
der Tante Toni ist Toni Baum, geborene Bierig in
Wiesbaden gemeint,
eine Schwester von Karoline Bierig.
Brief von
Selma und Karoline Bierig aus dem Lager Gurs vom 14./18.Februar 1941
In diesem Brief schreiben zunächst Selma Bierig und danach
ihre
Mutter Karoline Bierig an Gertrud Bierig in England. Am Schluss des
Briefes sind noch etliche Zeilen von Karolina Mayer angefügt.
Aus
den Briefzeilen sowohl von Karoline Bierig, als auch von Karolina Mayer
geht hervor, dass Karolina und Hugo Mayer am 19. Februar 1941 vom Lager
Gurs in das Lager Noé verlegt wurden:
„Liebe
Trudl,
Wie
Dir versprochen, wollen wir nach 14 Tagen wieder etwas von uns
hören lassen. Hoffentlich geht es Dir gut und kann dasselbe
auch
von uns sagen. Heute hatten wir eine grosse Freude wir bekamen von lb.
Toni kleine Packchen geschickt und war das eine Butter, das andere
Käse. Am Donerstag hatten wir schonmal eins mit Schockolade.
Lb
Trudl! Nun schreib ich schon zum drittensmal an diesen paar Zeilen
immer war was anderes als ob wir wunder Weiss was zu tun hatten.
Inzwischen ist der 16. geworden und übermorgen hast Du
Geburtstag. Habe
Du zwar schon neulich gratuliert, doch will es heute hier mit nochmals
tun den ich weiss nicht ob Du den Brief durch lb. Toni
erhältst.
Also
verbringe den Tag recht angenehm. Hast wohl wieder Einladung? Nun will
Dir berichten wie ich Sylvester verbrachte. Es war fast in jeder
Baracke was los und wir hatten freien Ausgang. Hugo lud mich ein so
ging ich mit einem jungen Mädel dorthin und was meinst Du wer
dort
war? Herr Kirchbaum! Er begrüsste mich sofort und servierte
uns
selbstgebrauten Tee mit Waffeln. Überhaupt wurden wir
wunderbar
bewirtet selbstverständlich, tranken wir auch
Glühwein. Auch Frau
Kirchbaum war bei. Weisst Du überhaupt, dass er verheiratet
ist?
Da er in Ilot nebenan ist sehe ihn fast täglich, wusste nur
nicht
dass er in Hugo’s Baracke ist. Auch kommt er oft in unser
Ilot,
da seine Mutter bei uns in No. 24 ist. An
Weihnachten war in unserer Baracke ein bunter Abend mit drei
ausgezeichneten Künstler. Ein Sänger, ein Geig
spieler und eine
Tänzerin. Ich sage Dir es war ein Hochgenuss. Letzte Woche war
ich in
einem anderen Mäner Ilot in einem richtigen Konzert und war
dies
ebenso herrlich. Es wurde Schubert, Mozart und Beethoven gespielt. Du
siehst es wird auch für unseren geistigen Hunger gesorgt.
Schade,
dass lb. Mutter nicht dabei war, das Wetter war ihr zu schlecht.
Neulich
besuchte uns Trude Bloch, die Tochter von den Leuten wo wir in Freiburg
wohnten und war die Freude gegenseitig. Wir sollen sie unbedingt bald
besuchen. Die
Toms Riveren sind eine lahme Gesellschaft, denke die haben erst einen
Brief geschrieben und wir haben von lb. Toni schon 4 und zwei
Ueberweisungen und 5 Päckchen. Als Neuigkeit kann Dir
mitteilen
dass ich meine Haare wieder schneiden liess und trage es jetzt wieder
der Einfachheit halber ganz kurz und glatt wie früher. Nun
will für heute schliessen und hoffe recht bald von Dir zu
hören.
Also sei vielmals gegrüsst und geküsst von Deiner
Sell.
V.B.
Heute, 18.II bekam Karoline ihren 2 Brief und schreiben alle sehr
schön
und gut.“
„Liebe
Gertrud!
Da
heute Dein Geburtstag ist will ich mich ein wenig mit Dir unterhalten.
Ich nehme an daß Du diesen Tag recht angenehm verbringst. L.
Sell
hat schon vor ein paar Tagen angefangen zu schreiben aber es ist immer
etwas anderes und man kommt immer nicht dazu. Soeben komme ich von der
Post und habe ein Päckchen von lb. Toni abgeholt, dieselbe hat
uns
schon fünf Päckchen schicken lassen, sie hat
jedenfalls nach
Lissabon Geld überwiesen und von da bekommen wir die
Päckchen. Im ersten waren drei Tafeln gute Schokolade, dann
ein
Pfund Butter, div. Käse und heute war es eine schöne
Wurst
und Ölsardinen. Wir freuten uns sehr damit und können
alles
gut gebrauchen denn wir haben immer Hunger. Von lb. Toni bekommen wir
regelmäßig Brief, wir bekamen gestern und heute ein
Brief in
dem heutigen war Dein Brief vom 16.11. darin erfreute mich sehr mit
Deinen lieben Zeilen, auch war von Fr. Adler einer dabei. Diese
schreibt auch immer schön. Ich bedaure nur daß lb.
Toni so
viel Arbeit hat wegen unseren Papieren und wir wissen noch nicht wann
wir raus kommen. Morgen kommt Hugo und Karoline von hier weg angeblich
in ein besseres Lage weil Hugo schon so alt ist. Wir müssen
halt
abwarten und sehen wie es weiter geht. Im allgemeinen haben wir ins
Barackenleben gut eingewöhnt. Die Hauptsache ist wenn wir
gesund
bleiben. Damit wir wieder vereint beisammen sein können. Sei
für heute herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Mutter.
Liebe
Gertrud habe eben Deinen Brief nochmals gelesen und kann Dir schreiben
daß ich diesen Winter nur ganz kurz Husten hatte.“
„Liebe
Gertrud. Es geht uns gesundheitlich noch allen gut, morgen werden nun
leider von l. Mutter und Sell getrennt und wird uns nach langem
Beisammensein besonders leid sein. Für l. Hugo ist es
besonders
gut daß ich ihn nun besser betreuen kann, er war in den
letzten
Tagen sehr verstimmt. Wir sollen nun tagsüber beisammen sein
können. Hast Du von l. Kurt seither etwas gehört?
Wenn er uns
schreiben darf weißt Du unsere Adresse, wird uns
jedenfalls
nachgeschickt werden. So Gott will werden uns mal wieder in T.R.
wiedersehen. Noch viele herzliche Grüße sendet Deine
Karoline. Grüße mir Kurt und gratuliere ihm zu
seinem 20ten
Geburtstag von mir und Hugo am 3/III.“
Brief von Selma und
Karoline Bierig aus dem Lager Gurs vom 24.März 1941 an Gertrud Bierig
in England
„Liebe
Trudl!
Hoffe,
dass es Dir gut geht was auch von uns G.s.D. sagen kann. Unser
Telegramm wirst Du erhalten haben, sowie wir auch das Deinige
erhielten.
Unsere beiden Luftpostbriefe wirst Du hoffentlich inzwischen erhalten
haben. Wir haben von Dir erst einen direkten Brief erhalten. Am Samstag
bekamen wir durch lb. Toni Deinen lb. Brief vom 16. 12. Obwohl er schon
überholt ist haben wir uns doch sehr damit gefreut und sagen Dir vielen
Dank. Wie hast Du Dein Geburtstag verbracht? Hast Du wieder so schön
gefeiert wie an Sylvester? Und was hast Du alles geschenkt bekommen?
Schreibe uns immer recht ausführlich, wir interessieren uns für alles.
Was habt Ihr für Wetter, hattet Ihr einen strengen Winter? Bei uns
wechselt das Wetter sehr rasch und war deshalb nie so lange kalt. Jetzt
haben wir schon 14 Tage den herrlichsten Sonnenschein und
manchmal ist es so heiss, dass mir schon Sommerkleider trugen. Doch
morgens und abends ist es meistens sehr kalt, sodass wir noch gut
Feuer gebrauchen könnten. Habe ich Dir eigentlich schon geschrieben,
dass wir geimpft wurden? Und zwar viermal, d.h. einmal geimpft für
jedes Alter und war dies nicht schlimm. Dreimal hatten wir Spritzen
bekommen (bis 45 Jahre) und habe ich bei der ersten eine Ohnmacht
bekommen. Was sagst Du dazu? Doch es war nicht schlimm und erholte mich
sofort. Natürlich habe ich die ganze Baracke erschreckt obwohl ich
nicht umfiel, sondern sowieso im Bette lag. Lb. Trudle nun höre gut zu
was ich Dir sage: bitte erkundige Dich ob Du an untenstehende Firma
Geld senden kannst, welche dafür uns Lebensmittel schickt. Wir haben
die Adresse auch lb. Toni mitgeteilt und sandte sie uns: Butter, Käse,
Wurst, Ölsardinen und Schokolade. Dasselbe kannst Du uns auch schicken,
doch musst Du’s der Firma schreiben und unsere Adresse mitteilen und
dass alles in Pfundpäckchen geschickt wird. Wenn Du es von Deinem
Gehalt
nicht schicken kannst, vielleicht hast Du unter Deinen Bekannten ein
oder der andere der ein mildes Herz hat?? Obwohl uns lb. Toni
unterstützt reicht es nicht für unseren sooo guten Appetit. - Nun lb.
Trudl lass bald und oft von Dir hören und sei für heute herzlich
gegrüsst von Deiner Sell.
Die Adr. ist: Martime Trading Co. Lisboa Portugal Rua D. Pedro v. 53-4
Hoffe Du kannst die Adr. lesen. Maritime Trading co. Lisboa/ Portugal
Rua D. Pedro v 53-4
Liebe Gertrud!
Vielen
Dank für Deinen lb. Brief den wir durch lb. Toni erhielten es freut
mich Dein gutes Wohl daraus zu erfahren, von uns kann Dir
gesundheitlich auch gutes schreiben. Von lb. Toni bekommen wir
regelmäßig Brief und schreibt sie immer gut, sie ist sogar seit kuzem
bei Gockel (?) beschäftigt u. ist sie froh darüber. Es tut mir leid,
daß Du so lange nicht fahren kannst denn es wäre für Toni eine
Erleichterung wenn Du sie mit unterstützen könntest, denn lb.
Toni unterstützt uns mit Geld u. Lebensmittel. Vor ungefähr 14 Tagen
haben Hugo’s einen Brief direkt von Kurt erhalten, aber diese sind
nicht mehr hier bei uns sie sind ungefähr schon 4 Wochen
woanders
hingekommen und weiß von dem Inhalt nichts, ich denke daß es ihm gut
geht. Hörst Du als was von Berthold? Tante Rosa ist auch von hier
weggekommen. Lb. Sell hat Dir ja schon von unserem guten Appetit
geschrieben u. wären wir sehr froh und dankbar wenn Du dies möglich
machen könntest.
L. Gertrud Du möchtest immer gern Bildchen von uns
haben, leider können wir dir diesen Wunsch nicht erfüllen da wir hier
kein
Geld u. auch keine Gelegenheit zum Photografieren haben und unsere
letzten Paßbilder zu Hause ließen. Ich kann Dir aber versichern daß wir
noch gut aussehen. Gestern war ich das erste mal in einem anderen Ilot
u. besuchte die Karlsruher Karoline und hörte da, daß ihre Tochter
Frieda für die Du damals die Stelle besorgtest seid einem Jahr
verheiratet ist. Sie hat einen Witwer geheiratet und ist auch hier.
Laß bald wieder gutes von Dir hören und sei herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Mutter.“
Brief
von Selma und Karoline Bierig, sowie Else und Guta Mayer aus dem Lager
Gurs vom 28.05.1941 an Familie Ehrmann in Toms River
Auf der ersten Seite schreibt Selma Bierig an Familie Ehrmann in Toms
River:
„Meine
Lieben Alle!
Es
ist gut, dass man einmal im Jahr Geburtstag hat, nicht wahr lb. Friedl?
und so fall ich gleich mit der Tür ins Haus u. gratuliere Dir recht
herzl. u. wünsche Dir alles Gute. Vor allem Gesundheit, was ja das
höchste Gut ist. Hoffe, dass es Euch Allen gut geht, was von uns G.s.D.
auch sagen kann. Letzte Woche hatten wir von lb. Toni Nachricht, dass
sie die Papiere nun nach Marseille geschickt hat u. danken Dir vielmals
für die Erneuerung. Hoffentlich klappen sie, so dass wir Dich lb.
Friedl nicht nochmals belästigen müssen. Was unsere Ausreise betrifft,
so werden wir trotzdem noch lange warten müssen. Was macht little
Charlie? Toni schreibt es sei ein goldiges Kerlchen u. wollte ich, ich
könnte ihn schon hüten. Wie geht es Oma u. Mina? Gust u. den lb. Buben
u. allen anderen? Gestern hatten wir von Euren lb. Eltern Post u. geht
es soweit ordentlich. Karoline schreibt von ihrem guten Appetit (den
wir hier alle haben). Wir könnten alle mehr Geld u. Päckchen brauchen.
Was macht die Farm? Wie viele Hühner habt ihr z.Zt.? Schade, dass ihr
keine Eier, Butter u. Milch schicken könnt, dies alles könnten wir sehr
gut gebrauchen. Ist Gust dieses Jahr wieder Bäcker? Schreibt uns doch
auch mal einen grossen Brief, wir interessieren uns für alles. Vor 14
Tagen ist Frau Basnitzky nach Marseille abgereist u. denke ich, dass
sie bald fahren kann. Ich gab ihr Deine Adresse lb. Friedl u. wirst Du
sobald sie drüben ist von ihr hören. Auch wird sie Euch mal besuchen,
sie geht nach Philadelphia. Ebenfalls schreiben u. besuchen Euch zwei
Damen Dr. Hamburger die auch in Eure Nähe kommen und zwar schwimmen
diese bereits 14 Tage schon. Es sind zwei hochgebildete, ältere Damen
(Zwillinge 67 Jahre) die eine Frl. Dr. Professor u. war Lehrerin, die
andere ein Frl. Dr. der Zoologie. Sie wollen voraussichtlich auch mal
Sommerferien bei Euch verbringen. Ich hoffe ihr freut Euch mit Ihnen.
Hatte ihnen Euer schönes Heim gezeigt u. waren sie ganz entzückt davon.
Frau Basnitzky brauche wohl nicht zu schreiben, denn die hast Du ja vor
mir gekannt lb. Friedel, nicht wahr? Nun lasst bald Gutes von Euch
hören u. seid Alle und Ferdls recht herzl. gegrüsst von Euer Sell.
Viele Grüsse auch an Herr und Frau Friedmann.“
Auf der zweiten Seite schreiben Karoline Bierig, sowie Else und Guta
Mayer (die Töchter von Albert
Mayer, eines Cousins von Hugo Mayer) an Familie Ehrmann in
Toms River:
„Meine
Lieben!
Hoffe
daß es euch allen gut geht u. kann von uns gesundheitlich auch guts
schreiben, daß wir schon seit Febr. von Euren Eltern getrennt sind wird
Euch bekannt sein jedoch sind wir in Briefwechsel u. haben gerade
dieser Tage Nachricht von Ihnen gehabt. Eure Mutter intreßiert sich
immer noch für verschiedene Baracken, Insaßen wir haben jetzt nur noch
29 Personen u. damals waren es 54. da zur Zeit die Baracken Öfen nicht
brennen, haben findige Männer aus 5 Kilobüchsen praktische Öfchen
hergestellt u. wird darauf jetzt fleißig frisch Gemüse gekocht. Zutaten
nach dem Rezept man nehme so man hat, dies treiben im freien solltet
Ihr mal sehen, auch Kaffee u. Tee wird natürlich darauf gekocht. Doch
bekommt man für Letzteres heißes Wasser aus der Küche. Hier wechselt
das Wetter sehr rasch, doch meistens ist es kühl u. Regen heute z.
Beispiel ist es schön u. schreiben wir im freien. Höre von lb. Toni
immer daß der kleine Charli gut gedeiht u. Euch viel Spaß macht, kann
er schon laufen? Liebe Friedel zu Deinem Geburtstag gratulieren wir Dir
herzlich u. wünsche Dir alles Gute ich hoffe daß wir zum nächsten bei
Euch sein können. Sage Euch noch vielen Dank für die übersande
Bürgschaft. Viele Grüße an Oma u. Mina sowie an die Jungens wo auch
Gust mit eingerechnet ist auch für dich lb. Friedl herzl. Grüße Deine
Oma
Liebe
Friedel, zu Deinem Birthday meine innigsten Wünsche, u. ebenfalls die
von l. Else. Uns geht es umstände entsprechend so leidlich. Ich habe
augenblicklich einen Umlauf am Finger. Wie gehts dem kleinen? Von
Deiner Mutter hatten wir dieser Tage Post u. geht es Deinen Lieben
ebenfalls anständig. L. Mina wie geht es dir, was hattest Du Glück daß
Du nicht mit dem letzten Zug mitgefahren bist. Was macht Deine l.
Mutter, schreib uns doch mal ausführlich. Ihr könnt wenn es euch zu
viel auf gewöhnlichem Weg befördern. Hast l. Friedl unseren Brief
erhalten. ... (?) Hoffen daß Mama uns mal von zu Hause berichten mag.
Von l. Mutter erfuhren wir daß unser ... (?) leer sei. Ja der alte Gott
lebt noch! Vielleicht könnt Ihr uns auch mal behilflich sein, daß
unsere Auswanderung mal perfekt wird. Also so mit uns mal ganz
ausführlich wir sind so froh als mal von Euch zu hören. Mit herzlichen
Grüßen an Euch alle
Eure Else u. Guta
Extra Grüße an Gust, Rolf u. Hans u. d. l. Ferdl's“
Hinweis:
Selma
Bierig
schreibt in ihrem Brief, dass Post von Friedels Eltern
angekommen
ist. Dies belegt, dass es einen brieflichen Austausch zwischen dem
Lager Gurs und dem Lager Noé gegeben hat, in das Hugo und Karolina
Mayer im Februar 1941 verlegt worden waren. Daran knüpft auch Karoline
Bierig in ihren Zeilen an und bestätigt ausdrücklich diesen
Briefwechsel. Auch Else und Guta Mayer nehmen Bezug auf diese Post von
Karolina Mayer aus dem Lager Noé.
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