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Briefe aus dem Lager Gurs von 1940
Brief
vom 30.Oktober 1940 aus dem Lager Gurs
Karolina
Mayer schreibt aus dem Lager Gurs am 30.10.1940 an ihre Kinder
in
Amerika:
„Meine
Lieben Alle!
Wie
ihr meine
Lieben vielleicht schon erfahren sind wir seit Freitag nach 3
tägiger Fahrt hier und ... sind gesund und munter und haben
vor
allem gute Luft. Bitte Euch um Dauerware Lebensmittel. Es ging alles
ganz rasch. Hoffe Euch alle gesund und macht Euch keine Sorgen. Viele
herzliche Grüße. Mutter. Grüße
von Vater und
Sichers, Zivis und vielen Bekannten. Schreibt an mich auch wie es Kurt
geht. Meine Anschrift ist: Camp de Gurs Ilȏt I Baraque 23 Basses
Pyrenées (Bp) Grüsse Adelheid, Recha, Emy, Fritz
Sicher“
In diesem Brief werden am Ende
Grüße ausgerichtet von "Sichers". Damit sind
Verwandte von
Hugo Mayer gemeint, die ebenfalls im Lager Gurs waren, nämlich Recha Sicher und ihr Mann Fritz Sicher, die in Bruchsal
lebten. Recha ist eine geborene Heß, aber der
Mädchenname von Rechas Mutter ist Mayer. Emmy Sicher ist die Tochter von
Recha und Fritz Sicher und wurde von Karlsruhe aus deportiert. Adelheid Heß ist eine
Schwester von Recha Sicher, geb. Heß und wohnte wie ihre
Schwester in Bruchsal.
Brief
vom 31.Oktober 1940 aus dem Lager Gurs
Selma Bierig schreibt am
31.10.1940 aus
dem Lager Gurs an ihre Schwester Gertrud in England mit einer
Grußzeile von ihrer Mutter Karoline Bierig:
„Liebe
Trudl! Nun ist Dein Wunsch erfüllt, wir sind seit
Dienstag 22. X. von zu Hause fort und fühlen uns hier recht
wohl. Wir kamen am 25. X. nach einer landschaftlich schönen
Fahrt gut hier an. Wir haben jeden Tag herrlichen Sonnenschein und sind
800 - 1000 m hoch und haben schon Sonnenbrand. Karoline wohnt bei uns
und Frau Dir. D. wohnt nebenan. Auch Tante Rosa, Else und Guta und Frau
Bernheim wohnen in der Nähe. Wie geht es Dir und wo bist Du
beschäftigt? Wir schrieben gestern an Toni und baten sie um
Dauer-Lebensmittel und Geld. Sonst sind wir gut besorgt. In Kleider,
Schuhe u.s.w. fehlt uns nichts, doch gibt es viele Leute die auch dies
benötigen. Schade, dass das grosse Wasser dazwischen ist,
sonst könnte uns Friedl gut Eier senden. Hörst Du als
von Kurt? Nun ist unser Wunsch, dass wir bald mit Dir und Toni wieder
vereint sind. Nun schreib uns bitte umgehend, sodass wir hören
wie Dir’s geht u. sei für heute recht herzlich
gegrüsst. Deine Sell Herzliche Grüße sendet
Dir Deine Mutter. Es geht mir
gut.
Unser
Absender K. Bierig, Camp de Gurs, Ilȏt I Baraque 23. Basses
Pyrenées
(Bp.) L. Trudl! Hoffe Du bestes Wohl. Wenn möglich gebe Kurt
Bescheid. Gruß u. Kuss.“
Dem Brief von Selma merkt man
deutlich
an, dass sie ihrer Schwester möglichst wenig Sorgen bereiten
wollte, ja dass mit dieser Fahrt nach Gurs sogar ein Schritt in
Richtung Ausreise gemacht wurde, was sich Gertrud
gewünscht hat. Dass die Worte Selmas in diesem Sinne zu
verstehen
sind, dies wird durch eine weitere Aussage Selmas
im Brief vom 03.11.1940 (siehe unten) ebenfalls
deutlich. Dort schreibt Selma zum Schluss: „Nun sind wir Euch
räumlich näher gerückt u. hoffen recht bald
ganz bald
bei Euch zu sein.“ Der
obige
Brief
enthält die Namen Else, Guta
und Frau Bernheim, die sich ebenfalls im Lager Gurs befinden. Dies sind
die deportierten Juden aus Nußloch: Elsa Mayer (geb. 9.05.1890)
und Guta Mayer (geb. 19.09.1896) aus
der damaligen Friedrichstr. 6 in
Nußloch waren die Töchter von Albert Mayer, eines Cousins von Hugo
Mayer. Laut dem letzten Brief
von Karolina Mayer aus dem Lager Noé vom 9.09.1942 kam dann
Frau
Bernheim (geb. 11.09.1859)1942 zu ihr ins Lager Noé.
Brief
vom 03.November 1940 aus dem Lager Gurs
Brief von Karolina Mayer an ihre Kinder in Amerika vom 03.11.1940 mit
Schlusszeilen von Selma Bierig:
„Liebe Kinder, l. Mina und
Mutter!
L.
Toni wird Euch meine kurzen Zeilen übersandt haben und will
Euch
nun weiteres berichten. Wir sind 52 P. in unserer Baracke Oma, Sell und
ich sind beisammen, meine Nachbarin ist Frau Fisch, geb. Sternweiler,
Frau Durlacher und Dr. Bärs Mutter und Schwester, sowie Frau
Barwitzki (?) welche unsere Scheffin ist und wirklich tüchtig
kennt Ihr ja alle gut. Gestern sprach Matthes (?) Tante und Rositta ...
mit Else und Frau Baruch (?). Sichers und Hilde sprechen alle Tage.
Mittags ist es meistens so warm wie bei uns im Sommer und Nachts
meistens sehr kalt auch hatten schon viel Regen und der Boden dann sehr
schlüpfrig. Mit l. Vater habe einen Brief und Sachaustausch
welcher ein kleiner Junge, dessen Mutter bei mir dessen Vater bei Vater
ist besorgt. Bis jetzt haben wir uns einmal am Zaun gesprochen und war
Vater voller Freude zu sehen daß es mir gut geht, auch Vater
geht
es ordentlich und soll Euch alle grüßen. Morgens
haben
Kaffe Mittags und Abends gute Suppe und gutes Brot. Es werden dauernt
Verbesserungen gemacht und kann man jetzt bei der Cheffin Lebensmittel
und sonstiges bestellen doch muß man mit dem bisschen Geld
sehr
haushalten und hoffen recht bald von Euch zu hören. Vielleicht
kannst Du, l. Friedl, etwas Kakao, Tee und etwas Kandis, Milch und
Marmelade und etwas Fetthaltiges für Brotaufstrich finden.
Jetzt
haben noch bisher Vorrat von zu Hause. Das beste wäre wenn wir
bald zu Euch könnten. Was macht der kleine Charlie, er wird
schon
sitzen können, wie geht es Euch allen, hoffe Euch alle gesund.
Noch viele herzliche Grüße und
Küße von Eurer
Mutter, Grüße an Ferdls ... und alle Bekannten
dortan.
Hoffe
dass es Euch gut geht, was auch von uns sagen kann. Nun sind wir Euch
räumlich näher gerückt u. hoffen recht bald
ganz bald
bei Euch zu sein. Herzliche Grüsse an alle. Selma“
Der obige Brief vom 3.November 1940 spricht in der Anrede die Kinder,
Mina und Mutter an. Mit den Kindern sind Gustav Mayer und Friedel
Ehrmann, geb. Mayer gemeint. Mit "Mina" ist die Schwester von Oskar
Ehrmann (Ehemann von Friedel), nämlich Mina Ehrmann
(27.12.1882 -
28.10.1964) gemeint und mit "Mutter" ist die Mutter von Oskar Ehrmann,
nämlich Helene Ehrmann (geborene Riechheimer, 24.09.1856 -
08.02.1942) gemeint. Im Brief schreibt Karolina, dass sich in der
Baracke 52 Personen befinden und dass sie mit Oma und Sell zusammen
ist. Damit sind Karoline Bierig und ihre Tochter Selma gemeint. Da
Karoline Bierig die Stiefmutter von Karolina Mayer war, ist
diese
folglich für die Kinder von Karolina Mayer die Oma. Von den
weiteren genannten Personen ist Frau Fisch hervorzuheben, die nach
jetzigem Erkenntnisstand bis in das Lager Auschwitz hinein mit Karolina
Mayer zusammenbleiben konnte. In der Datenbank von Yad Vashem findet
sich dieser Eintrag zu Hermine Fisch, geb. Sternweiler.
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