Bericht vom 7.November
2012
Gedenken
inmitten der Stadt
"Aus dem
Herzen der Stadt Leimen
sind die
Mitbürger jüdischen Glaubens
damals
herausgerissen worden,
daher
sollte ihrer auch heute
in der
Mitte Leimens
öffentlich
gedacht werden können!"
Am 9.November 1938 brannten in ganz Deutschland jüdische
Synagogen. Dieses Novemberpogrom gegen die Juden war lediglich der
vorläufige Höhepunkt des nationalsozialistischen
Antisemitismus. Bereits am 22. Oktober 1940 folgte die Deportation der
jüdischen Bevölkerung aus 137 Gemeinden Badens in das
südwestfranzösische Lager Gurs. Davon waren etwa 5600
Menschen betroffen, darunter auch vier Personen aus Leimen. Auch in
Leimen ließ man den Juden Hugo und Karolina Mayer, sowie
Karoline
und Selma Bierig nur wenig Zeit, ehe sie aus ihrem Haus in der
Rohrbacherstraße verschleppt wurden. Dies dokumentiert ein
Brief
von Karolina Mayer aus dem Lager Gurs an ihre Kinder in Amerika, in dem
es an zentraler Stelle heißt: „…sind
… seit
Freitag nach 3 tägiger Fahrt hier .... Bitte Euch um Dauerware
Lebensmittel. Es ging alles ganz rasch. Hoffe Euch alle gesund und
macht Euch keine Sorgen. Viele herzliche Grüße
Mutter.
Grüße von Vater und Sichers, Zivis und vielen
Bekannten.“
Im Rahmen des ökumenischen Jugendprojektes Mahnmal haben drei
Jugendliche aus Leimen zwei identische Gedenksteine angefertigt, um an
die Leimener Opfer des Holocaust zu erinnern. Ein Stein wurde am
70.Jahrestag der Deportation auf der zentralen Gedenkstätte in
Neckarzimmern eingeweiht. In der Zeitschrift „Pro“
(3/2011,
Seite 46) der Evangelischen Jugend Baden findet sich dazu folgender
kleine Bericht:
Gemäß den Vorgaben des landesweiten Jugendprojektes
der
evangelischen Landeskirche Baden und der Erzdiözese Freiburg
soll
der zweite Stein vor Ort seinen angemessenen Platz finden. Seit dem
Frühjahr 2012 ist nun der zweite Gedenkstein „so gut
wie“ fertig und die Suche nach einem geeigneten Standort in
Leimen konnte beginnen.
Die Mitglieder des Mahnmal-Projektes entschlossen sich diesen Schritt
nicht alleine zu gehen und baten im März 2012 auf der Sitzung
des
ökumenischen Arbeitskreises um Mithilfe. Daraufhin wurde in
den
Leitungsgremien der Kirchengemeinden in Leimen und St.Ilgen
über
den möglichen zukünftigen Standort dieses
Gedenksteines
beraten. Am Ende dieser Beratungen konnte ein sehr einheitliches
Ergebnis feststellt werden. Alle drei Kirchengemeinden, die
evangelische Kirchengemeinde Leimen und St.Ilgen und die katholischen
Kirchengemeinde Leimen, haben sich in ihren Sitzungen durch Beschluss
dafür ausgesprochen, dass der Gedenkstein auf dem Leimener
Rathausplatz aufgestellt werden sollte, und zwar etwa auf dem Areal,
auf dem früher die jüdische Synagoge stand. Dass der
Gedenkstein seinen Platz auf dem Leimener Rathausplatz finden sollte,
dafür sprechen fünf Kriterien:
1.
Zentrale Öffentlichkeit:
Die Deportation der Leimener Juden fand damals vor allen Augen statt,
deshalb muss ein Gedenkstein seinen Platz an einem zentralen Ort des
öffentlichen Lebens in Leimen finden, so dass der Stein als
unbequeme, störende Erinnerung und Mahnung im
alltäglichen
Leben der Leimener Bürger wirken kann.
2.
Politischer Rahmen:
Die Deportation der Leimener Juden war Ausdruck von Rassenwahn und
Fremdenhass der nationalsozialistischen Machthaber. Ihre politischen
Repräsentanten hatten auch in Leimen das Sagen. Die heutigen
politischen Mandatsträger tragen daher eine besondere
Verantwortung im Kampf gegen Intoleranz, Ausgrenzung und Fremdenhass.
Ausdruck dieser besonderen Verantwortung ist es, wenn der Gedenkstein
seinen Platz in unmittelbar örtlicher Bindung an das
politische
Zentrum Leimens erhält.
3.
Ortsgeschichtlicher Bezug:
In Leimen gibt es zwei zentrale Orte jüdischen Lebens in
früheren Zeiten. Dies ist einmal die Synagoge, die sich bis
ca.
1900 auf dem Rathausplatz vor dem Gasthaus Krone befand, und die
frühere Judengasse, die heute Hessengasse heißt.
Neben der
Erinnerung an das Leid der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus
würde ein solcher ortsgeschichtlicher Bezug auch eine
Erinnerung
an ehemalige Zentren jüdischen Lebens in Leimen beinhalten.
4.
Biographische Nähe:
Die aus Leimen verschleppte jüdische Familie Mayer und Bierig
lebte in dem von Hugo Mayer erbauten Haus in der heutigen
Rohrbacher-Str. 12. Außerdem war Hugo Mayer von 1899
– 1918
Besitzer der Bergbrauerei Leimen. Würde der Gedenkstein in
relativer örtlicher Nähe zu diesen biographischen
Stationen
der Familie Mayer seinen Platz finden, dann stellen der Gedenkstein und
der Ort der Erinnerung eine besondere Einheit dar.
5.
Geeigneter Versammlungsort:
Die Einweihung des Gedenksteines soll der Beginn einer lebendigen
Erinnerungskultur in Leimen werden. Der Standort muss daher die
Möglichkeit bieten, sich in geeigneter Weise zum gemeinsamen
Gedenken versammeln zu können.
Mit diesen fünf Kriterien haben sich die Kirchengemeinden an
den
Oberbürgermeister Herrn Wolfgang Ernst gewandt, um mit ihm
gemeinsam über den zukünftigen Standort des
Gedenksteines ins
Gespräch zu kommen. Aus dem Herzen der Stadt Leimen sind die
Mitbürger jüdischen Glaubens damals herausgerissen
worden,
daher sollte ihrer auch heute in der Mitte Leimens öffentlich
gedacht werden können.
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